From: Pr. Herbert W. Franke University of Munich Sehr geehrte Damen und Herren, Sie haben mir freundlicherweise den Entwurf für das Projekt mit dem Namen CREATRON (Centre de Ressources Européen de l'Art de la Technologie et de la Recherche des Objets Numériques) zugesandt, und ich nehme gern Stellung dazu. Die Thematik, der Sie das geplante Institut widmen wollen, ist höchst aktuell und wird es auch noch Jahrzehnte bleiben. Die Computertechnologie befindet sich immer noch in der Entwicklung, viele Komponenten des Hardware- und der Softwarebereichs haben ihren Reifezustand noch nicht erreicht, und die durch die Physik gegebenen Möglichkeiten (Speicherkapazität, Arbeitsgeschwindigkeit usw.) sind noch lange nicht ausgeschöpft, so dass auch in kommenden Jahren noch bedeutende Verbesserungen wie auch Neuentwicklungen zu erwarten sind. Um einige Beispiele zu erwähnen: Ein immer weiter verbesserter und zugleich verkleinerter und billigerer Computer wird zum zentralen Steuerinstrument in Berufs- und Privatleben, in einer mikrominiaturisierten Variante wird er aber auch Steuerungs- und Messfunktionen bei verschiedensten Werkzeugen des tägliche Gebrauchs übernehmen. Zugleich werden neue Kommunikationswege erschlossen, die insbesondere den visuellen Sektor betreffen, und hier wieder verlagert sich die Prioriät mehr und mehr auf 3D- und Bewegtbilder sowie auf interaktive Eingriffsmöglichkeiten. Virtuelle Szenerien zusammen mit Teletechnik werden das Leben und Handeln entscheidend verändern. Eine große technische Hürde dürfte in den nächsten Jahren überwunden werden, nämlich jene der Künstlichen Intelligenz. In rund zehn Jahren dürften auf diese Weise Denkleistungen der maschinellen Intelligenz verfügbar werden, die heute kaum noch vorstellbar sind – bis hin zu Robotern, die dem Menschen in mancher Hinsicht kreativ überlegen sein werden und somit auch gesellschaftliche Veränderungen mit sich bringen. Schließlich steht noch die Verbindung von Elektronik und Neurologie bevor, die nicht nur Medizin, Psychologie und Problemlösungstechnik in Neuland leiten, sondern auch zu einer Symbiose Mensch/Maschine führen wird. Selbst in Kreisen der Wissenschaft und Politik ist man sich der Konsequenzen solcher Innovationen nicht voll bewusst, was dazu führen könnte, dass die Bevölkerung auch weiterhin mit technischen Istrumentarien konfrontiert werden würde, die sie im Grunde genommen nicht begreift. Das geplante Institut könnte einen wichtigen Beitrag dazu beibringen, die skizzierten Entwicklungen in wünschenswerte Bahnen zu lenken und den Wissensstand zu erarbeiten, der für den vernünftigen Umgang mit den neuen Hilfsmitteln Voraussetzung ist. Nach den bisherigen Erfahrungen sind dazu vergangenheitsorientierte Institutionen wie die meisten Schulen und Universitäten kaum in der Lage, ein interdisziplinäres Innovationszentrum wie das CREATRON dagegen weist gute Chancen dazu auf. Das liegt nicht zuletzt an der vorgesehenen Organisationsform, die speziell in Hinsicht auf die Koordination der Forschungs- und Entwicklungsaufgaben in Europa eine Zusammenarbeit über Grenzen hinaus vorsieht. Eine bemerkenswerte Facette des Konzepts ist die Einbeziehung der Kunst, speziell mit den neu erschlossenen digitalen Gestaltungsmethoden, in den Aktionsplan. Ganz allgemein ist die Kunst eine Quelle von Innovation, und gerade für die Computertechnologie haben Künstler entscheidende Impulse geliefert, beispielsweise bei der Einführung der Farbe in die grafische Datenverarbeitung und bei der Entwicklung der virtuellen Sicht- und Erlebnismethoden. Bei der digitalen visuellen Gestaltung ergeben sich vielfache Verbindungen zwischen Kunst und Technologie – viele Gestaltungsaufgaben, z.B. der Entwurf grafischer Bedienungsoberflächen, erfordern vom Programmierer fundierte ästhetische Fähigkeiten, und im Zuge des Übergangs von zwei- zu dreidimensionaler Darstellung gewinnt der im Entstehen begriffene Beruf des 3D-Designers eine besondere Qualität. Die Beschäftigung mit computergestalteter Skulptur beispielsweise ist geradezu ein Trainingsfeld für diese Art von Aufgaben, und das freie Experimentieren, wie es der Kunst gemäß ist, führt zu neuen Ideen für den Hardware- und Softwarebereich. Zu berücksichtigen ist weiter der Unterhaltungssektor, etwa jener der Computerspiele, der bereits voll auf 3D-Grafik eingestellt ist. Aber auch in den Endgeräten der Kommunikation werden mehr und mehr jene Ausdrucksmöglichkeiten eingesetzt, die sich im Spielesektor bewährt haben. Der Trend führt dazu, dass sich in der Zukunft ein großer Teil gestalterischer Aktivitäten in den virtuellen Raum verlagern wird – ein Umstand, dem auch in der Arbeitsmethode des Instituts Rechnung getragen wird. Die Arbeit an den Entwürfen für die Welt von morgen erfordert kreative Phantasie und eher ein Abweichen von althergebrachten Denkmustern. Diese Zielsetzung drückt sich in der Idee des CREATRONs aus. Ein besonders wichtiger Aspekt ist die angestrebte interdisziplinäre Zusammenarbeit, denn die Problematik vieler Projekte der Informatik betrifft meist mehrere Fachgebiete. Ebenso wichtig erscheint eine internationale Ausrichtung im wissenschaftlichen und technischen Sektor, wo bei besondere Vorkehrungen zur Lösung des Mehrsprachenproblems erforderlich sind. Auch der Vorschlag, den Grundgedanken des Bauhaus-Prinzips aufzugreifen, entspricht den neuen Aufgaben und Arbeitsweisen. Das klassische Werkstattprinzip als Modell der Zusammenarbeit in kleinen Teams eignet sich gut als Basis der Organisation, es müsste auf moderne Mittel und Kommunikationsformen übertragen werden – also auf eben jene, die zu den Hauptthemen des CREATRONs gehören. Durch die ständige Validierung im Feld eigener Aktivitäten von Lehrern Studenten, aber auch durch die Übernahme von Entwicklungsaufträgen von außen ist dafür gesorgt, dass dessen Aktivitäten stets praxisbezogen und realistisch bleiben. Unter dem Aspekt einer bevorzugt auf Tele-Techniken basierenden Organisation des geplanten Instituts ergeben sich auch neue Gesichtspunkte für die Wahl des Orts. Die neue, sich in Forschung und im Unterricht durchsetzende, auf digitale Medien der Kommunikation ausgerichteten Arbeitsweise erfordert nicht mehr eine lang dauernde Präsenz von Lehrern, Mitarbeitern und Studenten; es genügt, dass diese über Tele-Medien miteinander verbunden sind und sich nur zeitweise, während einiger Tage oder Wochen, an einem Ort zusammenfinden; diese Zeit ist dem Austausch von Information, der Dikussion anstehender Fragen und der Planung gewidmet. Mittel dazu sind Workshops, Demonstrationen und Ausstellungen. Einzelne, auch für das allgemeine Publikum interessante Veranstaltungen sollten öffentlich zugänglich sein, wobei auch der Öffentlichkeits- und Pressearbeit eine wichtige Rolle zukommt. Für einen solchen Komplex von Aktivitäten ist die zu solchen Zwecken bisher bevorzugte Großstadt nicht die erste Wahl.– zu bevorzugen ist ein Ort mit angenehmer, ruhiger Atmosphäre, der der konzentrieren Denkarbeit förderlich ist, den Besuchern ein freundliches Ambiente bietet, das zum Wiederkommen einlädt, und jenem kleinen Stab, der ortsgebunden arbeitet, ein Heimatgefühl vermittelt. Der in Aussicht genommene Ort, Meuse an der französisch-deutschen Grenze, scheint diesen Anforderungen gut gerecht zu werden. Meine Einschätzung Ihres Projekts ist also positiv, und es ist zu hoffen, dass das Konzept ohne Abstriche verwirklicht werden kann. Ich bin gern bereit, mich an der Planung und der Durchführung dieses Projekts im Rahmen der mir gegebenen Möglichkeiten zu beteiligen. Pr. Herbert W. Franke University of Munich |